Alexander Skrjabin: faustische Musik?

Komponistenportrait: Alexander Skrjabin (1872-1915)

Skrjabin knüpft an Chopin an und entwickelt dessen Tonsprache rhythmisch und harmonisch weiter.

Seine Werke bis einschließlich 4. Klaviersonate und 4. Sinfonie sind noch „romantisch“, wirken aber mit zunehmender Opuszahl überreifer: harmonisch und rhythmisch überbordender, exaltierter oder – in den langsamen Sätzen und „Poemes“ – entrückender.

In den Preludes, Etudes und Poemes, wird Skrjabins Tonsprache graduell immer moderner, extremer. Manche Stücke sind von aphoristischer Kürze.

Mit der 5. Klaviersonate ist ein neues Niveau erreicht: Ab jetzt sind alle Sonaten und Sinfonien (er nennt sie nicht mehr so) einsätzig und deutlich kürzer. Die Tonsprache hat sich deutlich radikalisiert, ins „impressionistische“ verschoben, ist aber noch als „Abkömmling“ romantischer Harmonik erkennbar.

Mit der 6. Klaviersonate hat sich der Bruch vollzogen: Skrjabin hat „seine“ Sprache gefunden: Er hat ein eigenes Tonsystem entwickelt, die sogenannte „Ganz-Ton-Halb-Ton-Skala“, eine achttönige Tonleiter, bei der Ganz- und Halbtonstufen abwechseln: C-Des-Es-E-Fis-G-A-B. Diese Leiter ist zweimal transponierbar.

Er hat damit eine ganz eigene, unverwechselbare Tonsprache geschaffen, in die man sich erst einhören muß, weil sie deutlich dissonanter, „moderner“ ist als der „romantische“ Skrjabin.

Aber die Mühe lohnt: Skrjabins Musik berührt und weckt etwas in uns, von dem keine andere Musik etwas weiß – keine! – Seine Tonsprache ist fremdartiger als die Debussys oder Ravels, sie läßt alles, was wir kennen, hinter sich, sie eröffnet uns eine ungeahnte Weite…

Skrjabins Vortragsbezeichnungen in seinen Klavierwerken (im Original in französisch):

in fantastischer Exstase
geheimnisvoller Ruf
mit tiefer und verhüllter Glut
mit himmlischer Wollust
mit einer Zärtlichkeit, die zunehmend liebkosender und vergifteter wird
mit überschwenglicher Freude
mit heranwachsender Sehnsucht
mit finsterer Würde
mit schmerzlicher Wollust
mehr und mehr hingerissen
plötzlicher Zusammenbruch
es vermischt sich mit dem rasenden Tanz
im Taumel
Entfaltung geheimnisvoller Kräfte
Entsetzen erhebt sich
exaltiert
mit sehnsüchtiger Anmut
unfaßbar, unbegreifbar

(Ich finde es wenig sinnvoll, sich mit den Persönlichkeiten von Künstlern zu befassen. Das ist nur eine bildungsbürgerlicher Ersatzhandlung, die nichts zur Erschließung der Kunstwerke beiträgt, sondern mit den ausgelösten Phantasien und Assoziationen bloß ablenkt vom künstlerischen Gehalt und auf falsche Fährten führt.)

Weiterlesen: Gegen die Diskriminierung klassischer Kunstwerke
Neuartige Musikdokumentation
Mogelpackung auf ZDF-Kultur

 

Externer Link: Wikipedia-Artikel über A.Skrjabin

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