Das Geheimnis der Freiheit

Der Film über den Krupp-Topmanager Beitz und seine Traumatisierung als Zeuge des Holocaust ist in der ARD-Mediathek zu sehen.

Lohnt es sich, den Film anzuschauen? Ja. – Darf man über den Film meckern? Nein. Wenn im Hauptabendprogramm von ARD und ZDF ein Film kommt, der des Schauens lohnt, darf man nicht über ihn meckern. Wenn es an ihm was zu meckern gibt, muß man über den Sender meckern.

Der Film ist ein Beispiel dafür, wie der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk die Fernsehspielkunst in Deutschland hat verlottern und verflachen lassen, abgestumpft zu routinehaftem Kunsthandwerk mit vorhersagbaren Erzählweisen und -mitteln. Dafür können die Künstler nichts.

Gängig und schablonenhaft ist z.B.: Zusammensinken unter der Dusche oder Krümmen über ein Geländer als Zeichen seelischer Belastung. (Ich würde einiges darauf verwetten, daß der Hauptdarsteller Sven-Eric Bechtolf an solchen Stellen anderes wollte, aber der Regisseur darauf bestand, daß er sich so krümmte.) – Füllstoffartig wirken unnötige, kunsthandwerklich herbeirationalisierte Szenen, wie die Besichtigung der Waffenkammer, um eine Assoziation an ein traumatisches Erlebnis zu „motivieren“, oder die Erinnerung an den Jungen, der fast ertrinkt, um zu zeigen, was den Helden in seiner Kindheit geprägt hat.

Es ist, als ob der Film den Zuschauern ständig vermitteln wollte: „Nee, ihr braucht nicht wegzappen, es geht hier genügend unterhaltsam und sentimental zu, wie ihr es gewöhnt seit!“

Das Mittel, das Trauma durch ein wiederkehrendes Gespenst zu veranschaulichen, hat eine gewisse ästhetische Legitimität. Aber es ist altbacken und abgedroschen, und der Film schafft es auch kaum, es hier neu zu „beleben“, sondern man merkt gleich: der Autor will uns damit etwas sagen, weil er es im Hauptabendprogramm der ARD nicht zeigen darf. (Möglicherweise ist das auch richtig so. Aber es gibt keinen Grund, die Zuschauerbedürfnisse im Hauptabendprogramm mit Trivialität abzuspeisen. Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk muß sich fragen lassen, was er dafür getan hat, eine Fernsehspielkunst zu entwickeln, die Unterhaltung und Bildung verbindet. Diese Frage stellte ich den Intendanten und Programmdirektoren von ARD und ZDF, erhielt aber keine Antwort.)

Die Psychotherapeutenweisheit, daß man mit Gespenstern, die immer wiederkehren, reden soll, wirkt angelesen und aufgesetzt. Sie wäre auch gar nicht nötig gewesen: Was hätte dagegengesprochen, dieses „Rezept“ gar nicht auszuformulieren, sondern Beitz spontan einfach mit dem Gespenst reden zu lassen?

Der Film hat trotz allem ästhetische gute Ansätze und genug inhaltlichen Gehalt und vor allem lohnt er sich wegen der guten schauspielerischen Leistungen. Sie sind stets verläßlich. Bechtolf versteht es, mit der authentischen Darstellung der Souveränitätseinbrüche eines sonst von seiner eigenen Vitalität und Tüchtigkeit berauschten Mannes, die Traumatisierung durch das unfaßbare Grauen des Völkermords erahnbar zu machen. – Die Schauspieler sind es mal wieder, die alles retten und den Hauptteil der Qualitätslast tragen müssen. (Natürlich müssen auch die Dialoge dafür gut genug geschrieben sein, gutes Schauspiel ist immer auch ein Lob für den Autor.)

An der Filmmusik ist das beste, daß sie nicht stört. Aber sie vertieft auch nicht, so wie die Leistungen der Schauspieler, sondern trägt zur unterhaltsam-sentimentalen Verbreiung bei. Der Film hätte deutlich enttrivialisiert werden können, wäre die Musik einfach weggelassen worden. Dafür fehlte den Machern offenbar der Mut. (Wie war das Zitat: Glück liegt in der Freiheit und die gibt es nicht ohne Mut? Es ist peinlich, wenn ein Film nicht dem Anspruch gerecht wird, den er selbst herbeizitiert.)

Doch zeigt es einen gewissen Mut aller beteiligten Verantwortlichen, sich mit dieser Arbeit den Zuschauern und solchen Meckerheinis wie mir zu „stellen“. Bedenkenträger hätten gesagt: „Nein, mit so einer fadenscheinigen Masche kann man keinen Film machen, der sich um das Thema Holocaust dreht! Jede Trivialität eines Erzählrahmens bagatellisiert Völkermord!“ – Das ist richtig. Aber wäre es deshalb wirklich besser, gar keinen Film dazu im Hauptabendprogramm zu zeigen als einen solchen? – Die Frage bleibt am besten offen. – Das unfreiwillig Gute des Films ist, diese Frage ein weiteres Mal aufzuwerfen…

Link zum Wikipedia-Artikel über den Film

 

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