Vollgestopft – Kritik an der Serie „Der Schwarm“

Die Serie informiert darüber, was in der Romanvorlage alles vorkommt, aber sie erzählt keine Geschichte.

Alles wird nur angerissen, ein Mosaik aus Fetzchen. Beispiel: der Konflikt zwischen der Doktorantin und der Institutsleiterin. Das hätte mehr Zeit und Worte gebraucht. Worum es bei dem Konflikt geht, wird nur in einem Satz erwähnt, durch welche Schwierigkeiten der Beteiligten der Konflikt entstanden ist, bleibt völlig unklar (ob z.B. die Cheffin zwanghaft ist oder die Mitarbeiterin eine Querulantin). Da hätte man den Konflikt auch streichen können, das hätte mehr Zeit und Form ermöglicht.

Unnötig war auch die Eingangsszene mit dem Peruanischen Fischer (im Buch war diese Szene stimmig, weil die Leser viel mehr über das traditionelle Fischen erfuhren). Die folgende Szene war dasselbe in grün: die Wissenschaftlerin birgt eine Boje. Eine der beiden Szenen ist überflüssig. Was hat es so schwer gemacht, eine davon herauszunehmen, um der anderen mehr Entfaltungsmöglichkeiten zu geben?

Es scheint auch, als ob die Macher nichts falsch machen wollten: Um zu zeigen, daß die junge Wissenschaftlerin strafversetzt wurde, wurde kurz eingeblendet, wie sie bibbernd in ausgesprochen fiesem Wetter ein paar Holzscheite reinholt. Es wirkte, als wolle ein Filmhochschul-Student brav das Manual für’s Filmemachen abarbeiten, das Manual, das verbietet, etwas zu sagen, wenn es auch gezeigt werden kann. Deshalb wird mit Bildern informiert statt mit Worten. – Ein Verständnis, ein Gefühl dafür, wieviel Zeit ein Bild braucht um seine Wirkung zu entfalten, fehlt. Vollstopfen bringt’s nich.

Die Beziehung der jungen Wissenschaftlerin zu ihren Kollegen wird auch nur angerissen. Da die Kollegen ein paar Szenen später sterben und keine Rolle mehr spielen, hätten diese Szenen komplett gestrichen werden können. Vermutlich wollte man aber auf den Trauervoyeurismus in den späteren Folgen nicht verzichten.

Das Wundern über das Ausbleiben der Wale: Wundern braucht Zeit. Einfach zu zeigen, wie sich jemand wundert und dann sofort ein neues Bild: dann können die Zuschauenden sich nicht mitwundern sondern werden bloß darüber informiert, daß sich da jemand wundert. – Schade, daß diese ganze Szene nicht gestrichen wurde. Zuerst sind die Wale nicht da, kurz drauf sind sie doch da – was bringt das?

„Häh“, entfuhr es meiner Partnerin und mir wie aus einem Munde in der Szene, als die Astrophysikerin eingeführt wurde. Warum braucht es dafür noch diese dritte Person, die nur kurz auftaucht, drei Worte sagt und wieder weg ist? Warum wird überhaupt hier an dieser Stelle die Physikerin schon eingeführt? Weil es auch im Roman an dieser Stelle geschieht? Auch hier hätten Fetzchen gestrichen werden können, um mehr Raum für das Erleben zu schaffen.

So könnte ich weitermachen: Für das zur Verfügung stehend Zeitbudget war überflüssig, zu zeigen, wie Hummer gekauft wird, überflüssig war, den Umgangsrechtstreit der Ärztin mit reinzubringen, überflüssig war, zu zeigen, wie sie ein weiteres Infektionsopfer sucht, überflüssig war die zweite Kneipenszene in Schottland – soweit nur die Szenen aus den ersten beiden Folgen. – An sich kann das (fast) alles gebracht werden, aber dann bitte in mindestens doppelt so vielen Folgen! Und wenn das ZDF dafür nicht bezahlen will, muß eben gestrichen werden!

Vorhersehbar war, daß für irgendwelche Liebesszenen unverhältnismäßig viel Zeit aufgewendet wird. Schon in der ersten Folge sah man an den scheelen Blicken, daß zwischen dem Meeresbiologen und der Ölfirmafunktionärin mal was gelaufen sein muß. Das will niemand wissen und irritiert den Fluß der Erzählung bloß. In der dritten Folge wird dann eine ungeplante erotische Begegnung der beiden langatmig zelebriert.

Sosehr auch mit Zeit gegeizt wird: für Liebesleben und Rührseligkeitsreize ist immer welche da. Wie sagte Schätzing: „Es pilchert mehr als es schwärmt“ (Link zum Wikipediaartikel). Das ist eine so billige Masche! Das wundert mich am meisten, wieso die Schaffenden sich nicht weigern, solche Maschen zu bedienen! Das fällt doch auf sie zurück!

Die übliche menschliche Komödie wird in den Vordergrund gezoomt. Das, was in jedem Fernsehspiel von ARD und ZDF bis zum Überdruss abgedroschen wird, dominiert die Folgen. Der Weltuntergang wird zur Kulisse von Liebesverwicklungen, Vernachlässigung von Familie wegen Arbeit, Trauer über den Tod von geliebten Menschen usw. Der Mangel an Gehalt wird kompensiert mit Großaufnahmen bestürzter, fassungsloser Gesichter. – Die Serie hat kaum Individualität.

Egal, was ARD und ZDF anpacken, es kommt immer „Lindenstraße“ dabei heraus. Wie bei einem Koch, bei dem alles nach Ketschup schmeckt. „Während andere Serienformate die Ereignisse in den Vordergrund stellen, sind bei Soaps die handelnden Personen wichtiger“ ist bei Wikipedia unter „Seifenoper“ zu lesen.

Doch nicht die Schaffenden sind schuld sondern wir alle, alle Bürgerinnen und Bürger! Wir haben uns nie um unseren Rundfunk gekümmert!

Der Öffentliche-Rechtliche Rundfunk, der Rundfunk der Bürger, wurde zu einem Funktionärsfunk, der die Redakteure entmachtete und Quotenfunktionäre an deren Stelle setze, die die Entwicklung einer Fernsehspielkunst unterbanden, weil: nicht die Sendungen mußten gut sein, bloß die Quote. Was gute Quote brachte wurde wiederholt – bis zum Erbrechen (zu besichtigen in den Krimi-Mediatheken).

Daß gute Quote auch mit qualifizierteren Mitteln erreicht werden kann, interessiert Quotenfunktionäre nicht. Im Gegenteil, das setzt sie unter Druck, weil sie dann Risiken eingehen müssen: einen Prozeß von Versuch und Irrtum – und „Irrtum“ würde ja bedeuten: die Quote sinkt mal ab! Horror! Da wird dann lieber der Auftrag des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks ignoriert und behauptet: über Geschmack könne man streiten. (Über Geschmack ja, über Qualität nicht.)

Sicher: Ein Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk braucht eine gewisse Quote. Aber es ist nicht egal, wie er die erzielt! Ganz und gar nicht! Er ist der Qualität verpflichtet und hat dafür zu sorgen, daß eine Kunst entwickelt wird, die die erforderliche Quote mit qualitativ hochwertigen Sendungen einspielt. – Interessant: der kleine dänische Öffentlich-Rechtliche Rundfunk, der über weit weniger Mittel verfügt, schafft das. Der reichste Rundfunk der Welt dagegen kommt über billige Pilcherei nicht hinaus. Eine systematische Förderung einer Qualitätsentwicklung gab es offenbar nie. (Auf eine entsprechende Frage an die Anstalten erhielt ich jedenfall keine Antwort: Link zum Offenen Brief).

Institutionen brauchen verläßliche Korrektive. Die gab es für den Rundfunk nicht. Die Gremien haben ihre Aufgabe schlecht erledigt und auch das hat seit Anbeginn niemanden interessiert, nicht mal die Journalisten. Jetzt, wo die Gremien ihren Auftag ernster nehmen, merken sie selbst, daß sie ihm nicht gewachsen sind.

Jetzt wäre eine gute Gelegenheit, daß wir Bürgerinnen und Bürger selber uns organisieren, um ein öffentliches Forum zu bilden, das an den Rundfunk und seine Aufsicht kritische Fragen stellt. – (Link zur Idee eines Bürgermedienrates)

Meine ausführliche Kritik am Öffentlicht-Rechtlichen Rundfunk: „Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage“.

Kurz-Zusammenfassung meiner Kritik an ARD und ZDF (Antwort auf einen Brief von Intendantin Prof.Dr. Carola Wille)

 

 

 

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