Den Kindern in Gaza

Der Holocaust war mit Abstand das größte und gräßlichste Verbrechen, das Menschen an Menschen begangen haben. Es ist längst noch nicht analysiert genug, wie nach Bach, Kant, Goethe und Beethoven ein derartiger Zivilisationsbruch in Deutschland möglich war.

Wir Deutschen sind deshalb den Menschen jüdischer Herkunft verpflichtet. Aber die Schuld, die wir auf uns geladen haben, verpflichtet uns darüber hinaus, überall in der Welt gegen Verbrechen vorzugehen, die eine Regierung gegen ein Volk ausübt – auch dann, wenn es die israelische Regierung ist, die diese Verbrechen begeht.

Das Verbrechen, das die isrealische Regierung in Gaza begeht, erfüllt offenbar die Kriterien des Völkermords. – Es wäre ein Mißbrauch des Antisemitismusvorwurfes, den Vorwurf des Völkermords als antisemitisch zu diskreditieren. Und es wäre unüberbietbar widerwärtig, unter dem Schutz des Antisemitismusvorwurfes Völkermorde zu begehen, zu unterstützen oder zu billigen.

Es ist egal, wie wir das nennen wollen, was in Gaza verbrochen wird, beschreiben reicht: Da versteckt sich ein Bösewicht in einem Haus voll lieber Leute. Doch statt ins Haus zu gehen und mit dem Bösewicht zu kämpfen, wird das Haus mit allen Bewohnern in Schutt und Asche gebombt. Und so geschieht das Haus für Haus. – Die Stadt wird abgeriegelt und man läßt keine Nahrungsmittel rein, weil damit ja die paar Bösewichter miternährt werden könnten. Die Kinder verhungern; die, die Hunger, Krankheit und Bomben überleben, werden ihr Leben lang gezeichnet sein durch die Unterernährung in der Kindheit. Und natürlich durch die Angst. Und viele auch durch verletzungsbedingte Behinderungen.

Ich war schon als Kind mit Israel identifiziert: Als Israel 1973 am höchsten jüdischen Feiertag überfallen wurde, schrieb ich als Zwölfjähriger an die Wand meines Kinderzimmers: „Israel soll gewinnen!“ Ich werde immer für Israel sein. Aber was die gegenwärtige israelische Regierung in Gaza anrichtet, bewerte ich als Völkermord.

Fragen:

  • Die hohe militärische Überlegenheit, die Israel gerade wieder unter Beweis gestellt hat, gibt die Frage auf: Warum Gaza – das nicht viel größer ist als Berlin! – nicht in wenigen Wochen erorbert wurde sondern dort seit fast 2 Jahren ein Krieg geführt wird, der fast nur noch zivile Opfer fordert, ein Krieg, der also fast nur noch aus Kriegsverbrechen besteht.
  • Die Frage, ob das, was in Gaza geschieht, als Völkermord gelten soll oder nicht, muß beantwortet werden anhand der Frage: Welche Alternativen es zum Schutze Israels gegeben hätte. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer (über 50 000) hätte die israelische Regierung zu belegen, daß es sich nicht um einen „getarnten“ Völkermord handelt, d.h., daß die Regierung den legitimen Verteidigungsfall nicht mißbraucht für Intentionen, die die Kriterien von Völkermord erfüllen. – Man kann nicht Haus für Haus bombadieren und sich dann rausreden: „Wir wollten ja gar nicht die Familie töten sondern nur den Kämpfer der sich da versteckt. Deshalb ist das jetzt kein Völkermord!“ Wenn es andere militärische Mittel gegeben hätte, kann nicht davon die Rede sein, es handele sich nicht um einen Völkermord, weil: es habe ja keine Absicht gegeben, gezielt Zivilisten zu töten;  hätten die Kämpfer sich nicht hinter Zivilisten versteckt, hätte man – anders als die Serben in Srebeniza – auch keine Zivilisten getötet. (Weiterlesen: Wikipediaartikel mit Definition von Völkermord.)
  • Überhaupt ist die Frage, wieso die Hamas im Herbst 2023 Israel überfallen konnte. Ein so eklatantes Versagen des israelischen Sicherheitssystems hätte eigentlich zu einem Rücktritt der Regierung führen müssen. – Eine andere Regierung hätte Israel möglicherweise durch eine besonnenere Reaktion besser geschützt.
  • Natürlich hat die Hamas als erste Kriegverbrechen begangen, und es stellt sich die Frage, wieso sie nach dem Krieg 2014 noch so bescheuert sein konnte. Wer von einem Kampfhund schonmal fast zerfleischt wurde und ihn dann doch wieder reizt, dem ist nicht helfen. – Aber als Außenstehender habe ich gut reden und fragen. Es müßte hier jemand von der Hamas dazu gehört werden.

(„Es ist des Richters erste Pflicht, Beschuldigte zu hören“, läßt Goethe Helena sagen, als Faust einen pflichtvergessenen Wächter ihr zur Verurteilung übergibt (Akt 3)

Hier Links zum derzeitigen Sicherheitsminister Israels Itamar Ben-Gvir , der verurteilt wurde wegen „Anstiftung zum Rassismus und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ (Quelle: Jerusalem Post): Wikipedia  Jüdisches Museum München 

Zusatz: Der Internationale Strafgerichtshof führt für „Kriegsverbrechen“ unter anderem folgende Kriterien an:

Art. 7 Ziffer 2 b
die vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen [6]  – unter anderem das Vorenthalten des Zugangs zu Nahrungsmitteln und Medikamenten – , die geeignet sind [7] , die Vernichtung eines Teiles der Bevölkerung herbeizuführen;

Art. 8 2 b iv
vorsätzliches Führen eines Angriffs in der Kenntnis, dass dieser auch Verluste an Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder weit reichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die eindeutig in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen;

Quelle: https://www.un.org/depts/german/internatrecht/roemstat1.html

Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß der Überfall der Hamas auf Israel ebenfalls Kriterien von Kriegsverbrechen erfüllt.

Weiterlesen: Ein Artikel, in der die Bombardierung Gazas 2014 problematisiert wird:

Schildbürger auf Kriegspfad: Das Böse, das Ewig-Männliche, der Islam und Goethe

Weiterlesen:  Artikel auf Wikipedia über den Jom-Kippur-Krieg 1973

 

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